Kommunikationsprobleme in der Beziehung
- Marleen Theißen

- vor 3 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Warum Paare sich im Kreis drehen – und was wirklich hilft
Kaum ein Thema belastet Beziehungen so sehr wie wiederkehrende Kommunikationsprobleme. Viele Paare, die zu uns in die Praxis kommen, berichten, dass Gespräche eskalieren, sich im Kreis drehen oder irgendwann ganz vermieden werden. Oft entsteht das Gefühl, nicht gehört, nicht verstanden oder emotional allein zu sein – selbst dann, wenn man eigentlich dasselbe will: Nähe, Sicherheit und Verbindung.
Dieser Artikel gibt einen Überblick darüber, warum Kommunikation in Beziehungen so häufig scheitert, welche typischen Muster dabei entstehen und was nachweislich hilft, um aus diesen Dynamiken auszusteigen.

Warum Kommunikation in Beziehungen so schwierig ist
Kommunikation in Partnerschaften ist nicht einfach ein Austausch von Informationen. Sie ist immer auch emotional, biografisch geprägt und eng mit unserem Bedürfnis nach Bindung verbunden.
Die psychologische Forschung – unter anderem aus der Bindungstheorie nach John Bowlby und der modernen Emotionsfokussierten Therapie (EFT) – zeigt: In Konflikten geht es selten um das eigentliche Thema (Haushalt, Zeit, Entscheidungen), sondern fast immer um das, was wir Bindungssignale nennen. In unserer Praxisarbeit identifizieren wir meist drei Kernfragen, die unbewusst mitschwingen:
Werde ich ernst genommen?
Bin ich wichtig für dich?
Bist du da, wenn ich dich brauche?
Sobald diese Fragen durch einen Tonfall oder ein Wort negativ beantwortet werden, nehmen wir dies als negatives Bindungssignal wahr und das Nervensystem reagiert – oft schneller, als wir bewusst reflektieren können. Wir verfallen in einen Zustand, den der renommierte Paarforscher John Gottman als Flooding (Überflutung) bezeichnet. Das Gehirn schaltet auf Überlebensmodus. Gespräche werden dann nicht mehr geführt, um Lösungen zu finden, sondern um sich vor emotionalem Schmerz zu schützen.
Typische Kommunikationsmuster in Paarbeziehungen
In unserer Arbeit mit Paaren zeigen sich immer wieder ähnliche Muster. Sie sind keine Charakterfehler, sondern erlernte Schutzstrategien, die wir oft schon aus unserer Kindheit mitbringen.
1. Eskalation und Angriff (die „Kritik-Schleife“)
Ein Thema wird angesprochen, die emotionale Spannung steigt schnell, Vorwürfe nehmen zu. Gottman beschreibt Kritik als einen der sogenannten „Vier apokalyptischen Reiter“. Dabei wird nicht ein Verhalten kritisiert („Ich hätte mir Hilfe in der Küche gewünscht“), sondern die Persönlichkeit angegriffen („Du bist so egoistisch“). Beide versuchen, gehört zu werden – doch am Ende fühlt sich niemand verstanden.
Wenn du genauer verstehen möchtest, warum Streits oft eskalieren, findest du hier die drei häufigsten Ursachen, die in Paarbeziehungen immer wieder auftauchen: „3 Hauptgründe für jeden Streit in der Partnerschaft“
2. Rückzug und Schweigen („Stonewalling“)
Ein Partner zieht sich zurück, sagt nichts mehr oder wechselt das Thema. In der Forschung wird dieses Verhalten als Mauern bezeichnet. Für den anderen fühlt sich das oft an wie Ablehnung oder Gleichgültigkeit. In unserer Praxis zeigt sich jedoch häufig: Der Rückzug ist ein verzweifelter Versuch, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen, weil der Körper bereits übererregt ist.
3. Machtkämpfe und Rechthaben
Manche Gespräche entwickeln sich zu Debatten, in denen es darum geht, wer recht hat. Die Beziehung tritt dabei in den Hintergrund. Gottman konnte zeigen, dass Paare in starker Defensivhaltung kaum noch in der Lage sind, die Perspektive des anderen einzunehmen. Rechthaben wird dann zur Schutzstrategie gegen Verletzlichkeit.
Machtkämpfe sind oft ein Versuch, sich vor Verletzlichkeit zu schützen. Warum Rechthaben Nähe zerstört – und was stattdessen hilft – haben wir hier genauer beschrieben: "Recht haben oder in Beziehung sein?"
4. Ungleichgewicht und Frustration
Ein Partner fühlt sich überverantwortlich („Ich mache alles“), der andere fühlt sich kritisiert oder kontrolliert. Dieses Muster wird häufig als Verfolger–Rückzieher-Dynamik beschrieben. Je mehr der eine drängt, um Verbindung zu spüren, desto mehr zieht sich der andere zurück, um innerlich sicher zu bleiben. Ein Teufelskreis, der sich selbst verstärkt.
Wenn sich Verantwortung dauerhaft ungleich verteilt, entsteht häufig eine Verfolger-Rückzieher-Dynamik. Wie Paare aus diesem Muster aussteigen können, liest du hier:
Warum gute Kommunikationstipps oft nicht helfen
Viele Paare kennen Kommunikationstechniken wie Ich-Botschaften, aktives Zuhören oder Gesprächsregeln. Trotzdem scheitern sie in der Praxis – besonders in emotional aufgeladenen Momenten.
Der Grund dafür ist einfach und zugleich zentral: In Konflikten ist nicht der Verstand das Problem, sondern die neurobiologische Übererregung.
Studien aus der Emotionsforschung und die Arbeit des Gottman Institute zeigen, dass Menschen unter Stress (z. B. bei einem Puls über 100):
schlechter zuhören (das Gehirn filtert auf „Gefahr“)
Informationen verzerrt wahrnehmen
stärker auf Bedrohung reagieren (Kampf oder Flucht)
weniger empathisch sind
Solange das Nervensystem im Alarmzustand ist, greifen selbst gute Techniken nicht. Veränderung beginnt deshalb nicht bei den richtigen Worten, sondern bei der Fähigkeit zur Selbstberuhigung und zur gemeinsamen Co-Regulation.
Die Rolle von Emotionen und Bindung
Kommunikationsprobleme lassen sich nicht getrennt von Bindung betrachten. Je näher uns ein Mensch ist, desto verletzlicher sind wir – und desto stärker reagieren wir auf vermeintliche Zurückweisung.
Die Bindungsforschung beschreibt zwei typische Reaktionsweisen auf Unsicherheit:
Ängstlicher Bindungsstil: Nähe-Suchen, Drängen, intensives Reden
Vermeidender Bindungsstil: Rückzug, Schweigen, emotionale Abwehr
Beide Strategien sind Versuche, Sicherheit herzustellen. Gleichzeitig wirken sie oft gegeneinander und verstärken den Konflikt. In der Paararbeit helfen wir, diese „Tanzschritte“ zu erkennen – statt sich gegenseitig zu verurteilen.
Erste Schritte, die wirklich etwas verändern
Auch wenn jede Beziehung individuell ist, zeigen Forschung und Praxis einige Grundprinzipien, die sich bewährt haben:
Sanfter Gesprächsbeginn („Softened Startup“)
Wechsel von der Inhaltsebene zur Bindungsebene
Muster erkennen statt Schuld verteilen
Reparaturversuche („Repair Attempts“) nutzen
Verantwortung für die eigene Übererregung übernehmen
Diese Schritte ersetzen keine tiefe Beziehungsarbeit, aber sie können helfen, Eskalationen frühzeitig zu stoppen.
Kommunikationsprobleme sind kein Zeichen von Scheitern
Viele Paare glauben, dass ständige Konflikte bedeuten, dass sie nicht zusammenpassen. Die Forschung zeigt etwas anderes: Nicht das Vorhandensein von Konflikten, sondern der Umgang mit ihnen entscheidet über Beziehungszufriedenheit.
Gottman fand heraus, dass rund 69 % aller Paarkonflikte keine endgültige Lösung haben, weil sie auf Persönlichkeitsunterschieden beruhen. Ziel ist deshalb nicht Perfektion, sondern Dialog. Kommunikation ist kein angeborenes Talent, sondern ein lernbarer Prozess.
Weiterführende Artikel zu Kommunikation & Streit
Wenn du einzelne Aspekte vertiefen möchtest, findest du hier weiterführende Beiträge:


