3 Hauptgründe für jeden Streit in der Partnerschaft
- Marleen Theißen

- 1. Dez.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Dez.
Hast du das Gefühl, dass du und dein*e Partner*in immer über dasselbe streitet? Ist es die Spülmaschine, der vergessene Termin oder die schier endlose Diskussion über die Socken, die auf dem Boden liegen?
Als Paartherapeutin höre ich dies fast täglich. Paare kommen zu mir und sagen: "Wir drehen uns im Kreis! Wir haben immer die gleichen, wiederkehrenden Konflikte."
Meine Antwort darauf mag noch nicht mal überraschend: Ihr streitet nicht über die Spülmaschine. Sondern ihr streitet über ein Gefühl, eine tiefe, unerfüllte Bindungsfrage. Die Spülmaschine ist nur ein Stellvertreter für diese unerfüllte Bildungsfrage.

Der amerikanische Paarforscher Howard Markman hat dies bereits in den 90er Jahren klar belegt. Er hat gezeigt, dass die kleinen Alltagssituationen nur Auslöser für eine von drei viel tiefer liegenden existenziellen Fragen in eurer Partnerschaft sind.
In diesem Artikel möchte ich diese tiefer liegenden Fragen in Streitsituationen gemeinsam mit euch aufdecken und die dahinter liegenden Muster durchbrechen.
1. Power & Control (Autonomie und Einfluss): Zähle ich für dich?
Wenn Konflikte vordergründig nach einer organisatorischen oder logistischen Frage klingen, geht es in Wirklichkeit oft um Autonomie und Einfluss (Power & Control). Die tiefere, unbewusste Frage lautet: "Wer hat hier das Sagen?" und viel wichtiger: "Zählt meine Stimme, meine Meinung, mein Wunsch in dieser Partnerschaft?"
Hinter diesem Muster steckt bei vielen von uns ein starker Glaubenssatz: "Wenn ich nicht für mich einstehe, werde ich übersehen." oder "Um anerkannt zu werden, muss ich kämpfen."
Diese innere Überzeugung entlädt sich in typischen Konfliktsätzen wie "Hör auf, mir zu sagen, was ich tun soll!" oder “Du hörst mir nie zu, du willst immer bestimmen!” Die vorherrschende Emotion ist Wut und Frustration.
Einblick aus meiner Praxis: Ich hatte ein Paar, Anne und Tomas (Namen geändert). Anne war frustriert, weil Tomas immer die Pläne für das Wochenende machte, ohne sie einzubeziehen. Sie war ständig frustriert, weil sie den Eindruck hatte, kein Mitspracherecht zu haben. Ihr Glaubenssatz war: "Du beziehst mich nicht ein, also ist meine Ansicht und meine Zeit weniger wert als deine." Das Bedürfnis in diesem Moment ist tief: Sie möchte sich respektiert fühlen, Mitspracherecht und Handlungsmöglichkeiten haben. Der Streit um die Pläne war nur der Auslöser, der Annes Glaubenssatz befeuerte.
2. Care & Closeness: Kümmerst du dich um mich?
Viele alltägliche Konflikte – von der fehlenden Zärtlichkeit bis zum Gefühl, ständig warten zu müssen – sind ein versteckter Appell nach emotionaler Nähe und Fürsorge (Care & Closeness).
Die Emotion, die diesen Streit antreibt, ist meistens tiefe Traurigkeit und Einsamkeit. Sie wurzelt in Glaubenssätzen wie: "Wenn du dich zurückziehst, willst du nicht mit mir in Beziehung sein und ich bin allein." oder "Wenn ich nicht für unsere Beziehung sorge, dann zerbricht unsere Beziehung."
Diese Muster führen zu den klassischen Konfliktsätzen: "Warum gehst du nie zuerst auf mich zu?" oder "Du interessierst dich nicht für mich und meine Gefühle."
Einblick aus meiner Praxis: Ein Klient, Markus, beschwerte sich immer wieder, dass seine Partnerin Lisa immer Wochenendtrips mit ihren Freundinnen plante (Namen geändert). Er fühlte sich allein gelassen und verstand nicht, warum sie aus seiner Perspektive lieber mit ihren Freundinnen als mit ihm Zeit am Wochenende verbrachte. Er hatte das Bedürfnis, sich emotional sicher, verbunden und gehört zu fühlen. Die Wochenendtrips von Lisa waren für Markus ein Auslöser für eine tiefere Verletzung. Sein Schmerz kam aus der Angst, nicht liebenswert genug zu sein, um Zeit mit ihm zu verbringen.
3. Respect & Recognition: Werde ich gesehen und ernst genommen?
Dies ist der Konflikt, der die meisten Verletzungen verursacht: der Kampf um Anerkennung und Respekt (Respect & Recognition). Der Schmerz entsteht, weil man sich abgelehnt und nicht ernst genommen fühlt. Die dominierenden Emotionen sind hier Frustration und Traurigkeit.
Dieser Streittreiber wird oft von Glaubenssätzen genährt, die uns in die Abwehr treiben: "Meine Gefühle zählen nur, wenn ich für sie kämpfe" oder "Meine Gefühle werden nur ernst genommen, wenn ich sie impulsiv raus lasse." Verhalten, das diesen Glaubenssätzen folgt, ist zum Beispiel starkes Weinen oder die Stimme laut zu erheben.
Aus diesen tief sitzenden Verletzungen entstehen Konfliktsätze wie: "Du weißt nie zu schätzen, was ich tue" oder "Du tust so, als wäre ich unwichtig."
Einblick aus meiner Praxis: Eine Klientin, Sarah, fühlte sich zutiefst verletzt, als ihr Mann Jan eine ihrer Ideen abtat (Namen geändert). Es ging nicht um die Idee. Es ging um Jans unbewusste Botschaft, die Sarahs alten Glaubenssatz "Wenn ich Verletzlichkeit zeige, werde ich abgewiesen" aktivierte. Sie wollte einerseits nicht “bedürftig” wirken und empfand gleichzeitig tiefe Scham und Wut, weil ihr Bedürfnis, gehört, anerkannt und emotional ernst genommen zu werden, nicht erfüllt wurde.
Dein Weg aus dem Streit-Loop
Jeder Streit ist eine Einladung. Eine Einladung, von der Oberfläche (Inhalt) in die Tiefe (Gefühl, Glaubenssatz, Bedürfnis) zu tauchen. Die wahre Aufgabe besteht darin, den Streit als Diagnose-Tool zu nutzen. Und genau das habe ich auch mit den oben genannten Paaren in meiner Praxis gemacht.
Hört bei eurem nächsten Konflikt genau hin:
Steckt dahinter die Angst, keinen Einfluss zu haben (Power & Control)?
Die Sorge, allein zu sein (Care & Closeness)?
Oder der Schmerz, nicht gesehen zu werden (Respect & Recognition)?
Wenn ihr es schafft, die tiefe emotionale Frage zu benennen und zu adressieren – sei es der Wunsch nach Respekt, die Sehnsucht nach Nähe oder das Bedürfnis nach gleichem Einfluss – dann könnt ihr euch ganz anders begegnen. Die eigenen und gegenseitigen Bedürfnisse noch besser zu kennen, führt dazu, dass wir sie noch besser in den entsprechenden Situationen benennen können und gegenseitiges Verständnis anstatt Abwehr entstehen kann.
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