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Ich mache alles, du machst nichts? So entkommt ihr der proaktiv-reaktiv Dynamik

  • Autorenbild: Marleen Theißen
    Marleen Theißen
  • 8. Dez.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Dez.

Kennst du das zermürbende Gefühl, dass du die einzige Person bist, die sich aktiv kümmert und plant, während dein Partner oder deine Partnerin nur reagiert? Das ist der Moment, in dem der Gedanke auftaucht: „Ich mache alles in unserer Beziehung.“

Diese Überzeugung ist nicht nur erschöpfend, sondern führt zu einem schmerzhaften Ungleichgewicht in der Partnerschaft. Als Paartherapeutin kann ich dir jedoch sagen: Dieses Gefühl entsteht oft durch eine komplexe Dynamik, die wir heute mit zwei psychologischen Konzepten entschlüsseln werden: zum einen proaktiven und reaktiven Beziehungstendenzen und zum anderen dem Egocentric Bias.


Lina und Marleen du bist nicht das Problem
Findest du dich eher in der proaktiven oder in der reaktiven Rolle wieder?

Die Proaktiv/Reaktiv-Dynamik: Ein Spektrum von Temperamenten

Wir alle bewegen uns in einer Partnerschaft auf einem Spektrum von proaktivem und reaktivem Verhalten. Es ist wichtig zu verstehen, dass keine dieser Tendenzen per se gut oder schlecht ist. Das Problem liegt in der negativen Dynamik, die entsteht, wenn diese unterschiedlichen Temperamente aufeinandertreffen.

Die Proaktive Person ist oft jemand, dem Organisation und Planung leicht fällt und die gerne die Führung übernimmt – er/sie ist die treibende Kraft, was Date-Planung angeht oder wichtige Gespräche initiiert. Im Gegensatz dazu hat die Reaktive Person oft ein anderes Temperament und ein anderes Tempo. Er/Sie braucht länger, um Date-Ideen zu entwickeln, Probleme zu durchdenken oder Pläne umzusetzen. Die Reaktive Person nimmt gerne an den Plänen oder Vorschlägen der Proaktiven Person teil, aber initiiert diese kaum selbst.


Vorteile, Nachteile und die Falle des Ungleichgewichts

Jede Tendenz bringt große Stärken in die Partnerschaft ein:

  • Vorteile der Proaktiven Rolle: Sorgt für Abwechslung, verhindert Stillstand und hält die Energie der Beziehung hoch. Dinge werden aktiv in die Hand genommen.

  • Vorteile der Reaktiven Rolle: Bringt Sorgfalt und Ruhe ein, vermeidet impulsive Entscheidungen und ist oft ein:e ausgezeichnete:r Zuhörer:in.


Doch wenn diese unterschiedlichen Tempi aufeinanderprallen, entstehen auch Nachteile der Dynamik:

  • Die Frustration bei der Proaktiven Person wächst. Die „Macher-Seite“ fühlt sich alleine mit der Verantwortung, vielleicht sogar ein bisschen ausgenutzt, weil die Reaktive Person zwar mitmacht, aber keine Initiative zeigt. Die innere Schlussfolgerung lautet: „Ich mache alles – der/die andere macht nichts!“

  • Die Reaktive Person gerät unter ständigen Druck und erlebt emotionale Überforderung. Dadurch, dass die Proaktive Person immer schneller agiert, wird der reaktiven Person unbewusst der Raum genommen, eigene Initiativen zu entwickeln, was zum Gefühl führt: „Ich kann es einfach nicht richtig machen.“ Wenn dann auch noch die Proaktive Person auf einen Vorschlag der Reaktiven Person mit (leichter) Kritik reagiert, folgt meist komplette Resignation.


Die Psychologie dahinter: Der Egocentric Bias

Das Gefühl, die einzige Person zu sein, die sich anstrengt, wird zusätzlich durch einen psychologischen Effekt verstärkt: den Egocentric Bias (Selbstzentrierter Wahrnehmungsfehler).

Wir alle neigen dazu, unseren eigenen Beitrag zu einer gemeinsamen Sache zu überschätzen und den Beitrag des Partners/ der Partnerin zu unterschätzen. Der Grund ist einfach: Unsere eigenen Anstrengungen (die 10 geplanten Dates, die 5 angesprochenen Konflikte) sind für uns selbst maximal sichtbar und bewusst.

Dieser Bias trifft besonders hart auf die Dynamik von Proaktivität und Reaktivität:

Der Beitrag der Proaktiven Person ist von Natur aus laut und sichtbar. Der Beitrag der Reaktiven Person ist oft leise und unsichtbar (Geduld beim Zuhören, emotionale Stabilität bieten, Routinen einhalten). Das Gehirn der Proaktiven Person vergisst diese wertvolle, aber leise Arbeit leicht, wodurch die Überzeugung, alleine an der Beziehung zu arbeiten, noch einmal massiv verstärkt wird.


Den Egocentric Bias überwinden: Praktische Tipps für ein besseres Gleichgewicht

Das Ziel ist, die unterschiedlichen Tempi wertzuschätzen, Beiträge sichtbar zu machen und dadurch wieder Raum für beide Partner:innen zu schaffen.


Für die Proaktive Person: Raum geben

  1. Halte inne: Gib deinem Partner/deiner Partnerin bewusst Raum, indem du nicht sofort planst oder Probleme ansprichst. Halte aus, dass dein Partner / deine Partnerin ein anderes Tempo hat.

  2. Unsichtbares sichtbar machen: Übe dich darin, die leisen, reaktiven Beiträge deines Partners / deiner Partnerin wertzuschätzen und sie anzuerkennen.


Für die Reaktive Person: Proaktivität üben

  1. Raum nutzen: Nimm den dir gebotenen Raum an und übe dich in Proaktivität, auch wenn es dir schwerfällt (z.B. übernimm die Planung eines festen monatlichen Events, nimm die nächste Urlaubsplanung in die Hand).

  2. Kommuniziere dein Tempo: Sprich aus, dass du mehr Bedenkzeit brauchst, um eine Idee zu entwickeln, aber dass du dran bist. Halte deine Beziehungsperson auf dem Laufenden. Das nimmt der proaktiven Person die Angst vor dem Stillstand und schenkt Vertrauen.

Die unterschiedlichen Tendenzen in einer Partnerschaft sind kein Trennungsgrund, sondern eine Chance. Indem ihr den Egocentric Bias entlarvt und die Dynamik von proaktiver und reaktiver Beziehungsgestaltung neu definiert, könnt ihr das Gefühl, alleine in der Beziehung zu arbeiten, gemeinsam überwinden.


Du wünschst dir noch mehr Beziehungsimpulse?

Wir freuen uns, dich auf deinem Weg zu unterstützen.

 
 
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